Gemeindegeschichte im Detail

Einiges aus der Gemeindechronik:

 

 

23.04.1834

In Hamburg gründet sich eine „Gemeinde Evangelisch Taufgesinnter“.

14.05.1837

In Berlin gründet sich eine „Gemeinde Evangelisch Taufgesinnter“.

29.11.1844

Der Forster Carl Eduard Schulz lässt sich in Berlin-Rummelsburg taufen. Mit ihm beginnt in Forst Gemeindearbeit.

1848

gibt es einen ersten Versammlungsraum in Forst.

1850

Der Colporteur Eduard Metzkow betreut die Glaubensschar.

1892

Die Gemeinde Forst konstituiert sich mit 22 Mitgliedern.

1895

Die Baptistengemeinde Forst wird Station der Gemeinde in Berlin.

1905

Forst und Cottbus schließen sich zu einer Gemeinde zusammen.

1929

Die Gemeinde Forst – Cottbus – Groß Räschen teilt sich.

1931

Die Forster Gemeinde kauft das Grundstück Leipziger Straße 16.

1932

Guben und Spremberg sind Stationen von Forst.

1933

Gemeinde Forst zählt 177 Mitglieder, 69 davon gehören zur Station Spremberg, die 1934 selbstständig wird. Die Station Cottbus wird an die Gemeinde Spremberg abgegeben.

1945

Forst wird zwangsevakuiert. Rund 50 Prozent der Mitglieder kommen nicht wieder in ihre Heimatstadt zurück.

1954

Die Station Guben wird mit 62 Mitgliedern selbstständig.

Missionsarbeiter und Prediger auf dem Forster Gemeindegebiet

Vor der Gemeindegründung:

1837 – 1844

G. W. Lehmann (von Berlin aus)

1844 – 1856

Eduard Metzkow (von Frankfurt/Oder aus)

08.10.1856 – Okt./Nov. 1862

F. W. Zeschke (von Frankfurt/Oder aus)

01.07.1862 – 30.06.1889

Carl Jahr (von Frankfurt/Oder aus)

Erste Gemeindegründung:

14.02.1892 – 1893

Fritz Johann Sturm (Prediger)

10.01.1894 – 01.05.1897

Hermann Geppert (Kolporteur)

28.09.1897 – 1903

August F. W. Haese (Prediger i. R.)

Zweite Gemeindegründung:

Juli/August 1905 – 01.10.1911

Franz Blüthgen (ab 1906 in Cottbus)

1912 – März 1925

Johannes Wecke (ab 1925 in Pension)

1925

Schramm (Seminarist – etwa ¼ Jahr tätig)

April 1926 – 23.02.1930

Erich Bambey

06.04.1930 – 26.03.1934

Hermann Osthoff

Juni – September 1934

Johannes Rehr

07.10.1934 – 1937

Werner Klein

1938 – 1940

Albert Rexin

1941 – Februar 1945

Christian Geiger

01.10.1946 – 30.04.1954

Karl Sult

Juni -September 1954

Johannes Pfeiffer (Seminarist)

05.09.1955 – 11.07.1960

Jochen Hildebrand

01.04.1961 – 19.08.1965

Erich Lehmann

02.09.1965 – 25.10.1970

Gerhard Fuchs

07.08.1972 – 1978

Konrad Krause

15.07.1979 – 13.08.1989

Hartmut Wahl

1994 – 1995

Horst Kruber (Pastor i.R.)

     

 

 

Mit einem Schneider fing alles an

 

Geschichte Forster Baptisten im 19. Jahrhundert / von Ingrid Ebert

 

Seit wann gibt es Baptisten in Forst? Der folgende Beitrag beleuchtet die Anfänge baptistischer Arbeit bis hin zur Gründung der ersten selbstständigen Forster Baptistengemeinde. Es ist die Zeit revolutionärer Veränderungen, die Zeit eines außerordentlichen Wirtschaftsaufschwungs im Deutschen Reich. Dass hier so detailliert Auskunft gegeben werden kann, ist umfangreichen Recherchen zu danken. So hat sich Hartmut Wahl, von 1979 bis 1989 Pastor der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde in Forst, intensiv mit der Geschichte der Baptisten in der Lausitz beschäftigt und ein umfangreiches Archiv aufgebaut. Unter Stichworten wie „sectiererische Separatisten“ oder „Juden und Dissidenten“ fand er im Stadtarchiv Forst Spezialakten der preußischen Polizeibehörde, in denen alles über Juden und zugleich über die ersten Baptisten schriftlich festgehalten wurde. Beide waren unsichere Größen für den preußischen Staat. Sie glaubten etwas anderes, als es der preußische König vorgab, der nicht nur politischer Herrscher, sondern zugleich Herr der Kirche in Preußen war.

 

Baptisten. Im 19. Jahrhundert wurden sie als „Wiedertäufer“, „Proselytenmacher“ und „Vagabunden“ beschimpft. Sie wurden geächtet und ausspioniert. Sie versammelten sich in privaten Räumen, suchten gemeinsam in der Bibel nach Wahrheiten und ließen sich in abgelegenen Gewässern taufen. Die Taufe von Säuglingen lehnten sie als unbiblisch ab. Sie ließen sich nicht einschüchtern von Strafe und Landesverweis. Sie beschäftigten die Behörden zum Beispiel mit der Frage: Wer beglaubigt eo die Geburt eines ungetauften Kindes?

 

In Deutschland beginnt Baptistengeschichte mit einem Mann namens Johann Gerhard Oncken. Als uneheliches Kind in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, hat er kein gutes Startkapital für seinen Lebensweg in die Wiege gelegt bekommen. Und doch wurde gerade er zum Begründer des deutschen Baptismus. Eine Freikirche nahm auf dem europäischen Kontinent ihren Anfang, als sich Johann Gerhard Oncken am 22. 04.1834 am Ufer der Hamburger Elbinsel Steinwärder mit sechs weiteren Menschen auf das persönliche Bekenntnis seines Glaubens taufen ließ. Sie hatten Wahrheiten in der Bibel für sich neu entdeckt und suchten nach einem neuen Gemeindeverständnis. Sie strebten u.a. nach konsequenter Trennung von Staat und Kirche und setzten sich für Glaubens- und Gewissensfreiheit ein. Eine verschwindende Minderheit, angefochten von der Obrigkeit, missachtet von der Umwelt.

 

Heute sind in Deutschland 854 Gemeinden und 85 043 Baptisten registriert. Weltweit gibt es 646.774 Baptistengemeinden. (Stand 31.12.2003)

 

Mit dem Grundsatz „Allein die Schrift“ und dem Motto „Jeder Baptist ein Missionar“ beginnt 1834 in Hamburg eine Missionsarbeit, die drei Jahre später Berlin erreicht. Manches Feuer der Begeisterung erweist sich als Strohfeuer. Der Kupferstecher Gottfried Wilhelm Lehmann aber, der 1837 im Rummelsburger See in Berlin durch J. G. Oncken getauft wird, und seine Ehefrau bleiben treu dabei. Am 28.10.1838 lässt sich A. F. Eduard Metzkow in Berlin taufen. Er wird später im Raum Frankfurt/Oder als Missionar tätig und damit auch in Forst. G.W. Lehmann wird in London als Prediger ordiniert und bekommt eine ordnungsgemäße Taufbeauftragung. In Berlin in der Scharrenstraße 10 versammelt sich in den Jahren 1842 und 1843 eine kleine Berliner Gemeinde. In alten Unterlagen taucht hier der Name des Mannes auf, der die Baptistengemeinde in Forst begründen wird. Es ist Carl Eduard Schulz.

 

Carl Eduard Schulz, erster Baptist in Forst

 

Carl Eduard Schulz ist der erste namentlich bekannte Baptist in Forst. Geboren am 23.02.1823 als zweites Kind zugleich zweiter Sohn des Hammergesellen Johann Schulze und der Anne Marie geb. Schulzen, erlebt er den großen wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt an der Neiße. Die Zahl der Einwohner steigt stetig. Das kulturelle Leben blüht auf. Ab 1832 berichtet ein eigenes Lokalblatt von alledem. Regelmäßige Anzeigen im „Forster Wochenblatt“ belegen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Arbeit der Gemeinde getaufter Christen (Baptisten) und lassen nachvollziehen, wo die gottesdienstlichen Versammlungen stattgefunden haben.

 

1840 führt Carl August Groeschke die Buckskin-Fabrikation in Forst ein. Der junge Carl Eduard Schulz sieht seine Zukunft im Schneiderhandwerk gesichert. Lehr- und Gesellenjahre führen ihn aber erst einmal nach Berlin, wo der Kleidermachergeselle Schulz 1842/1843 in der Scharrenstraße 10 bei der frommen Familie Pfetgenhauer Quartier findet. Hier lernt er Baptisten kennen, liest mit ihnen in der Bibel, betet mit ihnen, nimmt an den Versammlungen teil und wird am 29.11.1844 von G. W. Lehmann im Rummelsburger See getauft.

 

Als der junge Mann in seine Heimatstadt zurückkehrt, tritt er Anfang Mai 1848 aus der Landeskirche aus und wird als Baptist missionarisch tätig. Der mutige Schritt eines einzelnen. Die „Rückendeckung“ für sein Handeln kommt erst zwei Monate später, von der ersten preußischen Vereinigungskonferenz in Berlin, die vom 1. bis zum 8. Juli stattfindet. Dort wird extra auf ein “Patent vom 30.03.1847″ hingewiesen, die Bildung neuer Religionsgesellschaften betreffend. Es geht dabei um Glaubens- und Gewissensfreiheit,

 

Kirchenaustritt, Geburten, Trauungen und Tod und die Beglaubigung beim Ortsgericht.

 

1848 gründet sich die Preußische Vereinigung des Bundes der Gemeinden Getaufter Christen.

 

Hundert Jahre später feiert die Baptistengemeinde Forst Jubiläum. Vorbereitend darauf verfasst Wilhelm Müller (1887-1971), Gemeindeältester und -leiter von 1937 bis 1949, eine umfangreichen Festschrift. Über die ersten Jahrzehnte der Gemeindegeschichte stehen ihm keine Aufzeichnungen im Gemeindearchiv zur Verfügung. Er ist auf die spärlichen Bemerkungen angewiesen, die Erich Bambey (Prediger der Gemeinde Forst von 1926 bis 1930) im Bundesarchiv gefunden hatte.

 

Als vier Jahrzehnte später Pastor Hartmut Wahl im Stadtarchiv Forst, Kirchenarchiv der Evangelischen Kirche Forst, Stadtarchiv Frankfurt/Oder, Staatsarchiv Potsdam und durch Mithilfe von Volker Bohlen und Margarethe Jelten im Oncken-Archiv Hamburg Quellen freilegt, bestätigt sich, dass die Anfänge baptistischer Arbeit in Forst 1848 zu finden sind.

 

In der Festschrift von 1948 heißt es:

 

„Damals unternahm der erste Vereinigungsmissionar der damals Preußischen Vereinigung, Bruder Weist, eine Kolportagetour nach Schlesien. Der Weg führte ihn über Frankfurt, Guben und Forst. Es ist bekannt, daß er in Guben bei dieser Gelegenheit einige Gottesdienste abhielt. Wieweit dies auch in Forst geschehen ist, wissen wir freilich nicht mit Bestimmtheit, doch braucht kaum angenommen werden, daß Bruder Weist in Forst nicht gearbeitet hat, denn über Forst ging seine Wegrichtung. Außerdem schreibt Bruder F. Harbig im Jahre 1857 an Bruder Braun, daß er bei Forst einen Lehrer angetroffen habe, der von der Unschriftgemäßheit der Kindertaufe überzeugt sei durch ein baptistisches Glaubensbekenntnis, das er vor 8 Jahren erhalten habe. Dieser Umstand weist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Spur von Bruder Weist und seiner ersten Arbeit in Forst anläßlich einer Missionsreise nach Schlesien im Jahre 1848.“

 

Wilhelm Müller erwähnt nicht, dass Wilhelm Weist (1822-1903), der im August 1848 zum Vereinigungsmissionar in Berlin ordiniert worden war, auf seiner Missionsreise durch Forst zwei Menschen antraf, die seine Überzeugung teilten: Den Schneidermeister Carl Eduard Schulz und dessen Frau. Tagebuchaufzeichnungen von Wilhelm Weist bestätigen es:

 

22.08.1848 : „Abends 9 Uhr kam ich bei Br. u. Schw. Schulz sen. an, welche schon zu Bett waren.”

23.08.1848: W. Weist reist von Forst nach Pförten zum “christl. Freunde Hs. Thiele”

 

Nach Wilhelm Weist Tagebuchnotizen könnte es sich um „den christlichen Freunde Hr. Thiele“ in Pförten handeln, den Weist am 23.08.1848 besucht. In Pförten verkauft er Bibeln und Traktate, wie er ausdrücklich erwähnt.

 

Auch Missionar A. F. Eduard Metzkow arbeitet Mitte des 19. Jahrhunderts auf dem Frankfurter Gebiet und besucht Forst öfter. Sein Ansprechpartner ist Carl Eduard Schulz, der mit seinem ungewöhnlichen Glaubensleben die Obrigkeit beschäftigt. Wie soll man ihn einordnen? In den Polizeiakten wird er als Dissident geführt, als Angehöriger einer nicht anerkannten Religionsgemeinschaft. Ein Leser des „Forster Wochenblatts“ fragt unter dem Kürzel „k“ in der Beilage vom 06.05.1848 an: „Steht einem Prediger das Recht zu, eigenmächtig einen Nachmittags-Gottesdienst anzuberaumen und darin Aufgebote zu proklamieren?“

 

Wahrscheinlich betraf dieses Aufgebot den 25 Jahre alten Carl Eduard Schulz und seine Braut Ernestine Wilhelmine Wostrack aus Frankfurt (Oder), getauft am 29.07.1847 in Frankfurt an der Oder. Die beiden heirateten am 15.05.1848. Auf ihr erstes Kind müssen sie fast sechs Jahre warten. Doch am 14.01.1854 ist die Freude über Tochter Maria Martha groß. Eine Säuglingstaufe lehnen die Eltern aus Glaubensgründen ab. Das wirft Fragen auf

 

Diaconus Neubarth schreibt am 24.01.1854 „An einen „wohllöblichen Magistrat“: „Von dem hiesigen Bürger und Schneidermeister Eduard Schulz wurde mir neulich durch die Hebamme Müller die Anzeige gemacht, daß ihm von seiner Ehefrau ….eine Tochter geboren wurde. Da die beiden Eheleute den Mennoniten oder Taufgesinnten zugehören, welche ihre Kinder erst in ihrem 14ten Lebensjahre taufen lassen, ich aber nur über die in hiesiger Parochie geborenen, getauften evangelischen Kinder den Nachweis im Kirchenbuche zu führen habe, so frage ich behufs der späteren Einreichung des Nachweises über die hier stattgefundenen Geburten, hiermit bei einem wohllöblichen Magistrate ganz gehorsamst an, wie ich mich in diesem Falle zu verhalten habe.“

 

Der Magistrat stellt am 15.02.1854 erst einmal fest:

 

„Dem Schneidermeister Schulz, welcher sich hier niedergelassen hat, und mit seiner Ehefrau zu den Mennoniten gehört, ist am 14ten v. Mts. Eine Tochter geboren. Ihrem Ritus nach werden sie dies Kind nicht jetzt, sondern erst, wenn dasselbe leben bleibt, im 14ten Lebensjahre taufen lassen“ und erklärt weiter: „…wir haben geglaubt, daß die Mennoniten zu den Dissidenten gehören, auf welche …. der Beglaubigung ihrer Geburten, Heirathen & Sterbefälle die Verordnung vom 30ten März 1847 und die JustizMinisteriale Institution vom 10ten May 1847 zur Anwendung kommen müsse, und haben deshalb der hiesigen Königl. Kreis-Gerichts-Deputation von der zur Geburt zur Eintragung derselben in das betreffende Register Kenntnis gegeben, dieselbe hat jedoch die Eintragung abgelehnt, weil Mennoniten nicht zu den Dissidenten gehören, ihre Verhältnisse vielmehr die Allerh. Cabinets-Ordre vom 16ten Mai 1830 geregelt sind, und daher das Gesetz vom 30ten März 1847 auf sie keineAnwendung findet.“ Er bittet die Regierung, „für den vorliegenden Fall und die Zukunft,Königl. Reg. Ehrerbietig uns Belehrung zu erbitten: Ob die Geburten bei den Mennoniten in die evangelischen Kirchenbücher einzutragen, oder die Mennoniten als Dissidenten zu betrachten, und nach dem Gesetze vom 30ten März 1847 zu behandeln sind.

Mit Bezug auf Pkt. 2 und 3 der Allerh. Cab.-Ordre vom 16ten Mai 1830 bemerken wir noch ganz gehorsamst, daß der Schulz wegen verkürzten Fußes militairuntauglich und die jetzt geborene Tochter sein erstes Kind ist, er sich auch über die Leistung der Militairpflicht für seine etwaigen männlichen Nachkommen noch nicht erklärt hat.”

 

Am 11.03.1854 wird Carl Eduard Schulz in dieser Sache vorgeladen. Seine Aussage: „Ich gehöre mit meiner Familie weder zu den Mennoniten, noch zu den Quäkern, sondern zu den Evangelisch Taufgesinnten oder Baptisten. Wenn nun auch, wie mir vorgehalten wird, die Allerh. Cabinets-Ordre v. 26. Mai 1830 …. auch auf die so genannten Separatisten Anwendung finden soll, so dürfte sie doch auf unsere Secte nicht Anwendung finden, weil wir keineswegs die Ableistung der gesetzlichen Militairpflicht verweigern, sondern unsere Brüder der letzteren vollständig genügen.“ Außerdem habe er bereits vor sechs Jahren seinen „vollständigen Austritt aus der evangelischen Landeskirche“ erklärt.

 

Daraufhin bittet der Magistrat am 14.03.1854 die Königliche Regierung noch einmal „ganz gehorsamst um eine Belehrung, ob die sogenannten Taufgesinnten oder Baptisten sich dort eine eigene Gemeinde bilden, zu welcher die hiesigen Anhänger dieser Secte gehören, den Quäkern und Mennoniten gleich zu behandeln sind. Der SchneiderMstr. Schulz hierselbst, zur dieser Secte gehört, bestreitet dies und hat auch bereits vor 6 Jahren seinen vor seiner Verheiratung bei dem hiesigen Stadt-Gericht seinen vollständigen Austritt aus der evangel. Landeskirche… erklärt. Wir erbitten diese Belehrung nur deshalb ganz gehorsamst, um zu wissen, ob die Geburten dieser Secte durch das hiesige Kirchenbuch, oder durch das Gericht gehen müssen.“

 

Die Königliche Regierung erachtet am 24.02.1854 „die Weigerung des Gerichtes bezüglich der Eintragung des Schneidermeisters Schulzschen Kindes in die Civilstands-Register für begründet“ und führt dies wortreich aus.

 

Die Suche nach einer Lösung für diesen verzwickten Fall geht weiter. Am 23.03.1854 bestimmt die Königliche Regierung, dass „die Geburts- usw. Fälle der Baptisten nicht in das Kirchenbuch einzutragen, sondern bei Gericht zur Einzeichnung in die Civilstands-Register anzuzeigen sind.“

 

Und dies geschieht dann endlich auch.

 

Am 16.06.1854 wird die Geburt von Maria Martha Schulz auf dem Gericht amtlich geglaubigt. In der Polizeiakte 1502 heißt es: „Laut Verhandlung vom 16. Juni 1854 Vol.I.fol.7 betr. Die Beglaubigung der Geburten bei den Dissidenten betr. Hat die Ehefrau des hiesigen Schneidermeisters Carl. Eduard Schulz, Wilhelmine, geb. Wostrack, am Vierzehnten (14) Januar 1854 (Eintausend Achthundert vier und fünfzig) des Morgens einhalb sieben Uhr ein Mädchen geboren, welche der Name Maria Martha beigelegt worden ist. Die Eltern des Kindes gehören zur Baptisten Gemeinde.“

 

Für diese Beglaubigung erhält Carl Eduard Schulz am 11.01.1855 eine Rechnung über zwei Silbergroschen.

 

1855 kommt es zu ersten urkundlich erwähnten Versammlungen der Baptisten in Forst. Wortführer ist C. E. Schulz Man trifft sich bei der jungen Familie, die beim Tuchfabrikanten G. Thomas wohnt. Als Baptisten registriert ist das Ehepaar Schulz im Mitgliederverzeichnis der Gemeinde Frankfurt, die eine Station der Berliner Gemeinde getaufter Christen ist.

 

Am 01.11.1855 wird Elise Clara Schulz geboren, die zweite Tochter. Zur Beglaubigung dieser Geburt braucht es diesmal nur zwei Tage.

 

Familie Schulz zieht um. Im „Forster Wochenblatt“ vom 05.04.1856 zeigt Schneidermeister Schulz seinen „werthen Kunden und Freunden“ an, daß er „von jetzt ab nicht mehr beim Tuchfabrikanten Hrn. G. Thomas, sondern bei der Ww. Wagner im Hinterhaus 1 Treppe hoch“ wohnt. Er bittet „auch hier um gütige Aufträge.“

 

Am 01.03.1856 lassen sich der Tuchmachermeister Friedrich Samuel Krüger und seine Frau Johanne Ernestine taufen. Bereits am 31.12.1855 hatte das Ehepaares Krüger offiziell seinen Kirchenaustritt erklärt.

 

Friedrich Samuel Krüger wurde am 26.04.1826als erstes Kind des Joh. Samuel Gotthelf Krüger geboren, wie aus dem Taufregister von 1826, Nr.25 hervorgeht. Am 08.05.1853 heiratet er Johanne Ernestine Lehmann in der Evangelischen Kirche in Forst. Ihr erstes Kind erblickt am 24.08.1854 das Licht der Welt. Es wird am 10.09.1854 getauft und erhält den Namen Carl Paul Philipp Krüger.

 

Rudolf Donat betont in seinem Buch über die Entstehung der Baptistengemeinden in Deutschland „Wie das Werk begann“ (Oncken-Verlag, Kassel 1958) die guten Aussichten, die eine Forster Gemeinde nach sieben Jahren missionarischer Tätigkeit hat und berichtet: „Zwei liebe Seelen harren auf die Taufe, welche ihren Austritt aus der Staatskirche schon erklärt haben, worüber die Gläubigen so erbittert sind, daß sie den lieben Seelen verboten haben, in ihre Versammlung zu kommen, weshalb diese sich nun mit Bruder Schultz versammeln.“ Sie mussten nicht lange „harren“. Im Jahresbericht von 1856 ist entsprechend von vier Forster Baptisten die Rede. Sohn Rudolf Krüger wird am 16.08.1856 geboren und beim Gericht registriert.

 

Bei Familie Schulz kommt am 26.5.1857 das dritte Kind zur Welt, Carl Georg.

 

Gottesdienste finden nun auch in der Wohnung von Friedrich Samuel Krüger statt, in der Thumstraße, im Haus Nr. 174, oder im Hause seiner Eltern.

 

Geistlich betreut werden die Forster Baptisten seit 1856 durch Missionar F. W. Zeschke, der aus Eberswalde nach Frankfurt/Oder umgesiedelte. Mit ihm beginnt die eigentliche und intensivere Gemeindearbeit. Er wohnt zwar in Frankfurt, der Zentrale seiner Arbeit. Sein Gebiet erstreckt sich aber über Küstrin, Landsberg, Beeskow, Forst, Grünberg und Schwiebus. Außer ihm finden andere baptistische Missionare und Kolporteure den Weg in die Tuchstadt an der Neiße und hinterlassen ihre Spuren.

 

F.W. Zeschke nennt 1858 „Forst in der Lausitz eine … Oase in der wendischen Wüste“.

 

Er begründet dies mit einer Taufe, gut besuchten Versammlungen und mit der Sonntagsschule für Kinder. Sonntags und feiertags finden um 9 und 16 Uhr Gottesdienste statt. Unermüdlich engagieren sich die Baptisten. Gemeinde hat Priorität. Trotz Alltagsarbeit, trotz Familienpflichten, trotz Schwierigkeiten, die sich immer wieder von seiten der Behörden auftun, stehen sie treu zu ihrer Glaubensüberzeugung.

 

F.W. Zeschke kommt 1858 mehrmals wegen einer Glaubenstaufe nach Forst. Er tauft am 14.02.1858 Carl August Fabian sowie am 13.05.1858 C. A. Fechner; C. A. Guttmann und Frau Johanne Gutmann, Christiane Fabian und Christiane Lehmann.

 

Johanne Auguste Lehmann möchte sich ebenfalls taufen lassen. Sie lebt seit dem Tod ihres Vaters, dem Zimmermeisters Johann Gottlob Lehmann, bei ihren Verwandten, dem Ehepaar Krüger. Sie ist minderjährig. Ihr Vormund Ruhel ist gegen die Taufe und erstattet Anzeige:

 

„Da dies nach meinem Dafürhalten gesetzlich unzulässig ist, so bitte ich hiermit, … den Krügerschen Eheleuten zu verbieten, diesen Act an der minorennen Johanne Auguste Lehmann vollziehen zu lassen. Auch der jetzt abwesende Mitvormund Köhler will, daß die Curantin bis zur Volljährigkeit bei dem evangelischen Glauben verharrt.“ (Polizeiakte 1505, Blatt 3 vom 24.06.1858)

 

Die Königliche Kreisgerichts Deputation wendet sich daraufhin am 27.06.1858 an die Polizeiverwaltung mit dem Ersuchen, „möglichst durch polizeiliche Einwirkungen auf die Tuchmachermeister Krügerschen Eheleute und den betreffenden Prediger der Baptistengemeinde zu verhindern, daß der wiederholte Taufact an der eben erst 15 Jahr alt gewordenen, mithin noch völlig unreifen Curandin Johanne Auguste Lehmann vollzogen werde.“ Und die Polizeiverwaltung vermerkt in einer Randnotiz am 06.07.1958 „Auf das zust. Schreiben vom 27. V.M. in der Zimmermeister Lehmannschen Vormundschafts S. erwidern wir, daß so sehr auch an sich das Verhalten der hiesigen Baptisten und speziell der Vorsatz der minorennen Lehmann als eine Verwirrung zu beklagen ist, wir uns doch nicht befugt halten können, einen Zwang gegen diese Glieder einer geduldeten Sekte auszuüben, noch weniger nur aber bei der Festigkeit, womit die Lehmann an ihrem Entschluss festhält, irgend einen Erfolg versprechen können. Geistlicher Zuspruch scheint allein das geeignete Mittel zu einer Sinnesänderung sein zu können.“

 

Johanne Auguste Lehmann wird am 17.09.1858 gemeinsam mit Johanne Caroline Riebe getauft. Eine weitere Taufe findet 27.11.1858 statt. Der Täufling heißt Carl A. John.

 

Die Gemeinde wächst. Am 01.12.1858 feiert sie ein erstes Kinder-Missionsfest.

 

Im Jahresbericht 1858 der Vereinigten Gemeinden getaufter Christen in Preußen ist von vierzehn Forster Baptisten und elf Kindern die Rede. Das Jahresergebnis der Kollekten: Zwanzig Thaler und sechs Pfennige.

 

Am 22.12.1858 wird Tuchmachermeister Friedrich Samuel Krüger aufgefordert „binnen 3 Tagen ein namentliches Verzeichnis sämtlicher in der Stadt Forst wohnhaften Baptisten mit Angabe des Standes und des Alters (mithin auch einschließlich aller Kinder) einzureichen.“

 

Der Gemeindeleiter braucht nur zwei Tage, um dieser Aufforderung nachzukommen.

 

Mitgliederverzeichnis der Baptisten-Gemeinde Forst

Stand 24.12.1858

Nr.

Name

Stand

Alter

Kinder

1

Schulz, Eduard

Schneidermeister

34

Martha: 5 Jahre,

Elise: 3 Jahre,

Georg: 1 ½ Jahre

2

Schulz, Wilhelmine

Ehefrau

33

 

3

Riebe, Carl

Tuchmachergeselle

29

Carl: 4 Jahre,

Theodor: 2 Jahre,

Emma: ¼ Jahre

4

Riebe, Johanne Caroline

Ehefrau

22

 

5

Fabian, Carl August

Tuchmachergeselle

43

August: 25 Jahre

6

Fabian, Johanne Christiane

Ehefrau

46

 

7

Gutmann, August

Schumachermeister

38

Otto: 15 Jahre;

Pauline: 13 Jahre

8

Gutmann, Johanne

Ehefrau

38

 

9

Lehmann, Johanne Christiane

Ehefrau des Schumacher-meisters Herford Lehmann

40

 

10

Lehman, Auguste

Tochter des verstobenen Zimmerermeisters Lehmann

16

 

11

John, Carl

Tuchmachergeselle

25

 

12

Fechner, Gustav

Tuchmachergeselle

20

 

13

Krüger, Friedrich

Tuchmachermeister

32

Phillip: 4 Jahre,

Rudolph: 2 Jahre

14

Krüger, Ernestine

Ehefrau

27

 

 

Zum Jahresende teilt die Polizeiverwaltung dem Magistrat in einem „beglaubigten Extract“ aus dem Register mit, dass im Jahre 1858 bei den Juden keine Geburten und Heiraten und bei den Dissidenten weder Geburten, Heiraten, noch Sterbefälle angezeigt worden sind. Aufgezählt werden zehn Personen, die aus der evangelisch-protestantischen Landeskirche ausgetreten und zur Baptistengemeinde übergetreten sind: der Tuchmachergeselle Karl Gustav Fechter, der Schuhmachermeister Carl August Guttmann und dessen Ehefrau Johanne Christiane, geb. Paul, Johanne Christiane Fabian, geb. Paethe, der Tuchmachermeister Johann Gottlieb Grunewald und Ehefrau Johanne Christiane, geb. Noack, Johanne Christiane Lehmenn, geb. Neumann, die unverehelichte Johanne Auguste Lehmann, der Tuchmachergeselle Carl Johann und der Tischlermeister Georg Heinrich Heldge.

 

Am 18.01.1859, stirbt Johanne Ernestine Krüger, geborene Lehmann, an Lungentuberkulose, der damals häufigsten Todesursache in Mitteleuropa. Die Frau des Gemeindeältesten Friedrich Samuel Krüger ist nur 27 Jahre alt geworden. Die Söhne Philipp und Rudolph sind vier und zwei Jahre alt. Sie brauchen eine Mutter.

 

Ernestine Wilhelmine Schulz ist indes erneut schwanger und wird am 13.07.1859 von einem Sohn entbunden. Er erhält den Namen Paul Otto. Seine Geschwister sind inzwischen fünf, drei und anderthalb Jahre alt.

 

Da bricht auch für diese Familie eine schwere Zeit mit schmerzlichen Verlusten an. Polizeiakten vermerkten das Geschehen nur kurz und knapp.

 

„Tod bei Schneidermeister Carl Eduard Schulz: Elise Clara Schulz am 28. Juli 1859, Morgens 8 ½ Uhr in einem Alter von 3 Jahren und 9 Monaten an der Drüsenschwindsucht.“

 

„Tod bei Carl Eduard Schulz¸Carl Georg Schulz am 14. November 1859 Nachmittags 2 ½ Uhr in einem Alter von 2 Jahren 5 Monate u. 19 Tagen an Unterleibskrämpfen.“

 

Innerhalb von vier Monaten verliert das Ehepaar Schulz zwei ihrer vier Kinder. Wie mögen die jungen Christen damit fertig geworden sein? Wie passte diese Erfahrung in ihr Glaubensschema? Es ist anzunehmen, dass Carl Eduard Schulz und seine Frau in eine tiefe Glaubenskrise stürzten. Sicher hatten sie heiße Gebete zum Himmel geschickt. Dennoch war ihnen das Liebste genommen worden.

 

Welche Konsequenz das für den Glauben des Ehepaares hatte, ist nicht vermerkt. Auch nicht, wie Friedrich Samuel Krüger den Verlust seiner Ehefrau verkraftet. Aber es folgt eine turbulente Zeit im Leben der Glaubensschar, was auf Krisen schließen lässt.

 

Für die Behörden gibt es allerdings keinen Grund zur Besorgnis. Die Polizei vermerkt am 06.09.1859 in der „Nachweisung über die Gestaltung und Ausdehnung des dissidentischen Unterrichtswesens in der Stadt Forst im Jahre 1859“, dass hierorts nur die Baptisten bestehen, „welche sich von der Landeskirche getrennt halten“ und zu denen Prediger aus Frankfurt a/O und aus Berlin kommen, um zu predigen, „dagegen besuchen deren Kinder die hiesige öffentliche Schule und in dieser auch den Religionsunterricht.“

 

In der Gemeinde kommt es zu Ausschlüssen, Wiederaufnahmen und Austritten. So werden am 25.12.1859 J. C. A. Fechner und Johanne Christiane Fabian wegen Ehebruch aus der Gemeinde ausgeschlossen und ein knappes Jahr später wieder aufgenommen. Am 08.04.1860 schließt die Gemeinde sogar Carl Eduard Schulz und seine Frau für ein knappes Jahr aus. Am 04.03.1861 wird das Ehepaar wieder aufgenommen.AuchJ. C. Fabian darf sich bald wieder zugehörig zur Gemeinde wissen. Taufen lassen sich Wilhelmine Rocktäschel (31.12.1859), Johanne E. Paulick (31.03.1860), W. G. Böttcher (14.04.1860). Das Ehepaar Kierstein findet den Weg in die Gemeinde. Am 26.08.1860 werden J.W.A. Neumann und seine Frau sowie Gottlob Kierstein getauft, am 27.10.1860 Auguste Caroline Schneider.

 

Gemeindeleiter Friedrich Samuel Krüger, 33 Jahre alt, heiratet am 14.06.1860 die 24 Jahre alte Johanne Ernestine Pauligk, „Tochter des zu Altforst verstorbenen Fabrikarbeiters Johann Gottlob Pauligk und seiner ebenfalls verstorbenen Ehefrau Johanne Christiane geborene Seidel“ . Im Register der „Heirathen bei den Dissidenten pro IIte Quartal 1860“ ist vermerkt, dass diese „eheliche Verbindung unter Beobachtung der nach dem Gebrauche der Religions-Gesellschaft der Baptisten, zu welche beider gehören, zu deren Abschluß erforderlichen Handlung eingegangen“ wurde. Die Kinder haben wieder eine Mutter und bekommen am 14.09.1861 eine Schwester: Pauline Helene Krüger. Ihr ist nur ein kurzes Leben geschenkt. Am 29.07.1862 stirbt sie 10 Monate und 16 Tage alt an „Zahnkrämpfen“, so in den „Acten: Sterbefälle bei den Dissidenten“ am 31.07.1862 vermerkt.

 

Das Gemeindeleben wird von vielfältigen Ereignissen bestimmt: Taufen in der Neiße, Ausschlüsse, Hochzeiten, Geburten, Todesfälle. Gottesdienste finden bei G. Mrose in Alt-Forst, Am Pferdemarkt, und bei Familie Kierstein Auf dem Thume statt. Man trifft sich nicht mehr nur sonntags zu Gottesdiensten, sondern nun auch montags und donnerstags zu Gebetsstunden. Im Forster Wochenblatt werden am 18.09.1961 alle freundlichst eingeladen, „denen es Ernst ist, Wahrheit und Licht in göttlichen Dingen zu bekommen und die das Heil ihrer unsterblichen Seele suchen“.

 

Ernestine Wilhelmine Schulz ist mit dem fünften Kind schwanger.

 

Tochter Louise Clara kommt am 22.11.1861 zur Welt. Die Familie bezieht im September 1862 mit ihren drei Kindern die Wohnung Nr. 282 in der Viehmarktstraße.

 

Der Cottbuser Tuchmachermeister C. L. Ed. Kreitz wird am 23.02.1862 in die Gemeinde aufgenommen. Am 05.05.1862 stirbt Auguste Caroline, geb. Schneider, die Frau des Tuchmachergesellen Carl August John, an Kindbettfieber. Sie ist 25 Jahre, acht Monate und dreißig Tage alt. Dem „wohllöblichen Magistrat“ zeigt Carl August John „ganz ergebenst an, daß die Leichenfeierlichkeit“ seiner verstorbenen Ehefrau am Nachmittag des 07.05.1862 von 6 bis 7 Uhr in seiner Wohnung im Dettrich’schen Hause, entweder durch den Prediger Herr W. Zeschke, oder in dessen Abwesenheit durch Friedrich Krüger abgehalten wird.

 

Am 25.06.1862 lassen sich M. J. Noack und Frau sowie Ch. Johanne Schlauck taufen. Kolporteur und Missionar Friedrich Wilhelm Zeschke geht als Prediger nach Landsberg a.d.Warte. Seine Stelle nimmt Carl Friedrich Joseph Jahr ein, 1852 in Berlin getauft. Er bringt von Frankfurt/Oder aus die Gemeindearbeit in Forst weiter voran und arbeitet eng mit Friedrich Samuel Krüger, zusammen, der inzwischen zum Gemeindeleiter berufen worden ist.

 

Carl Jahr kommt aller sechs Wochen nach Forst, um zu predigen und zu taufen. Zu Besuch weilt er sicher öfter in der Tuchstadt.

 

Ein Fragebogen aus dem Regierungsbezirk Frankfurt, Kreis Sorau, vom 26.08.1862 gibt einen Einblick in die bunte religiöse Landschaft von Forst. 41 Baptisten werden darin aufgeführt, einschließlich acht Familien und 20 Kinder. Registriert sind weiterhin eine Freireligiöse Gemeinde mit 64 Mitgliedern und einen Irvingianer sowie zwei Personen, die als „Wilde oder keiner religiösen Gemeinschaft Angehörende“ bezeichnet werden. Laut Fragebogen haben 21 Baptisten in Forst seit 1847 ihren Kirchenaustritt erklärt, allein fünf im Jahre 1862. Das Dokument gibt auch Auskunft darüber, dass die „Ehen der Dissidenten“ „vor Gericht geschlossen worden“ sind und informiert: „Es findet außerdem ein Act der Begrüßung im Verein statt, wenn beide Ehegatten demselben angehören.“

 

Friedrich Samuel Krüger wird am 20.09.1862 vom Magistrat aufgefordert, binnen drei Tagen eine Mitgliederliste einreichen. Im amtlichen Schreiben heißt es: „Diese Nachweisung bedürfen wir zur Einreichung beim Königl. Ministerio, welches davon die Legitimationsfrage prüfen will.“ Er habe daher seine Angaben mit Sorgfalt zu machen. „Ausgeschiedene, aber wieder eingetretene Mitglieder sind als bestehende, dagegen ausgeschiedene und nicht mehr zur Gemeinschaft gehörige Mitglieder gar nicht zu notieren; Ehefrauen sind getrennt dem Namen aufzuführen, wenn sie überhaupt Baptisten sind.“

 

Am 23.09.1862 reicht Friedrich Samuel Krüger ein handschriftliches Gemeindeverzeichnis bei der Forster Polizei ein. Es ist das zweite Mitgliederverzeichnis und enthält 22 Mitglieder.

 

Mitgliederverzeichnis der Baptisten-Gemeinde Forst

Stand 13.9.1862

Nr.

Wohnort

Name

verheiratet

Kinder

Mitglied seit

Kirchenaustritt

1

Forst

282

Schulz, Eduard

ja

3

1844

1848

2

Forst

282

Schulz, Wilhelmine

ja

3

1847

1847

3

Forst

174

Krüger, Friedrich

ja

2

1856

1855

4

Forst

174

Krüger, Ernestine

ja

2

1860

1860

5

Forst

233A

Guttmann, Johanne

ja

 

1858

1858

6

Forst

230

John, Carl

nein

 

1858

1858

7

Forst

99

Fechner, Gustav

ja

 

1858

1858

8

Forst

99

Fechner Theresia

ja

 

1861

1862

9

Forst

144

Kirstein, Gottlob

ja

 

1860

1860

10

Forst

144

Kirstein, Dorothea

ja

 

1861

1861

11

Forst

144

Neumann, August

ja

5

1860

1860

12

Forst

144

Neumann, Juliane

ja

5

1860

1860

13

Forst

230

Bubner, Christian

nein

 

1860

in Hamburg Mitglied geworden; ist noch nicht gesetzlich ausgeschieden

14

Altforst 132

Riebe, Carl

ja

4

1857

1857

15

Altforst

132

Riebe, Carolin

ja

4

1858

1858

16

Altforst

106

Fabian, Carl

ja

 

1858

1858

17

Altforst

106

Fabian, Christiane

ja

 

1858

1858

18

Altforst

33

Noak, Christian

ja

6

1862

1862

19

Altforst

33

Noak, Marie

ja

6

1862

1862

20

Altforst

36

Schlaugk, Johanne

ja

 

1862

1862

21

Gosda

Schneider, Gustav

nein

 

1861

1861

22

Pförten

Lehmann, Christiane

ja

 

1858

1858

 

Am 11.11.1862 stirbt der 62jährigen Vaters von Friedrich Samuel Krüger an „Abzehrung“, wie aus dem Sterberegister der Ev. Kirche in Forst hervorgeht. Er hinterlässt seine Frau und vier Söhne. Sohn Friedrich Samuel überlebt ihn nur um ein knappes Jahr.

 

Carl Jahr tauft am 13.05.1863 Anna Neubert, die Ehefrau des Tuchmachergesellen Neubert. Vier Monate später wird sie aus der Gemeinde wieder ausgeschlossen.

 

In der Familie Krüger kommt am 28.05.1863 ein Sohn zur Welt: Carl Friedrich.

 

Sein Vater, der 37jährige Gemeindeleiter und Tuchmachermeister Friedrich Samuel Krüger, stirbt am 15.9.1863 an „Lungenschwindsucht“.

 

Für die Gemeinde ein schwerer Schlag.

 

Entschlossen nimmt Carl Eduard Schulz die Zügel in die Hand. 30 Jahre lang wird er von nun an Gemeindeleiter sein. Zu seinen ersten Aufgaben in dieser Eigenschaft gehört, den Magistrat zu Forst um Genehmigung zu bitten, dass die „Versammlungen der Gemeinde getaufter Christen (gewöhnlich genannt Baptisten) welche bisher im Hause des Herrn G. Mrose zu Altforst abgehalten worden vom 18ten d.M. im Hause des Herrn Kierstein Thumstr. abgehalten werden“ dürfen. Dabei handelt es sich um sonntägliche Gottesdienste um 9 und 14.30 Uhr, um eine Versammlung donnerstags, 20.30 Uhr und um eine Missionsstunde an jedem ersten Montag des Monats um 20 Uhr.

 

Da sich in Forst zwei wichtige Handelsstraßen kreuzen, verwundert es nicht, dass Reiseprediger oft in der Tuchmacherstadt Station machen. Auch G. W. Lehmann aus Berlin predigt hier und berichtet später von einem geräumigen Lokal und großen Versammlungen. „Sein Interesse an unserer Stadt wird gewiß nicht gering sein, stammt dieser Pionier des deutschen Baptismus doch aus dem benachbarten Spreewald“, heißt es dazu in der Festschrift zur Hundertjahrfeier.

 

Im Missionsblatt Jahrgang 22 vom April 1864 informiert die Baptistengemeinde Berlin über das Arbeitsfeld Frankfurt/Oder und Umgebung: „Die Verfolgungen in dieser Gegend scheinen nun aufhören zu wollen, wenigstens wurde Br. Jahr alle 8mal, die er in verschiedenen Orten auf der Anklagebank saß, freigesprochen.“ Wie schnell man damals auf die Anklagebank kommen konnte, zeigt ein Fall aus Küstrin. Da wurde ein Baptist verklagt, weil er auf dem Kirchhof bei Beerdigung seines Schwagers ein Lied vorlas und singen ließ, was als öffentliches Gebet ausgelegt wurde, was nur Geistlichen zukam. Er wurde jedoch in 1. und 2. Instanz freigesprochen. „Dagegen ist unser ärgster Verfolger in jener Gegend neulich zu 6 Wochen Gefängnisstrafe und Kosten wegen Gotteslästerung verurteilt worden, nachdem ihn diese Sache schon einige hundert Thaler gekostet hatte“, so zu lesen in der Gemeindechronik von Frankfurt/Oder.

 

Am 20.05.1865 wird das sechste Kind der Familie Schulz, Sohn Carl Johannes, geboren. Auch ihn muss die Familie schon bald wieder hergeben. Er stirbt am 15.08.1868.

 

Zwanzig Jahre sind seit dem Kirchenaustritt des ersten Forster Baptisten Carl Eduard Schulz vergangen. Das sind zwanzig Jahre schwere Missionsarbeit, schwer, weil die Widerstände groß sind. Wilhelm Müller bemerkt in der Festschrift zur Jahrhundertfeier, „daß es sicher nicht von ungefähr geschehen ist, daß die Arbeit gerade 1848 ihren Anfang genommen hat, in dem Revolutionsjahr, daß uns Glaubens- und Gewissensfreiheit brachte.“ Er bezieht sich auf das „Manifest des freien Urchristentums an das deutsche Volk“, in dem Julius Köbner Glaubens- und Gewissenfreiheit fordert und erinnert: „Bis dahin gab es die übelsten Plackereien mit Polizei und Kirche. Doch lehrt uns insbesondere die Geschichte der Berliner Gemeinden, daß auch nach 1848 reaktionäre Erscheinungen sich wieder reichlich zeigten, die gern alle durch die Revolution gewährten Freiheiten für die Verkündigung freikirchlicher Botschaft wieder rückgängig gemacht hätten. So wird die Arbeit der jungen Gemeinde in dem damals 4000 Seelen zählenden Städtchen Forst gewiß nicht leicht gewesen sein, war es doch immerhin ein Wagnis bei Widerständen von oben herab, außerkirchliche Veranstaltungen zu besuchen, oder gar einer solchen Freikirche beizutreten, die noch lange Jahrzehnte als Sekte gelten sollte! Trotzdem hat sich die Arbeit stetig entwickelt.“

 

„Mit dem Jahre 1866 setzen alle Nachrichten aus und fließen erst wieder Anfang der 1880er Jahre. Und zwar treffen wir die Gemeinde in anscheinend sehr verringerter Gliederzahl in einer zwei Treppen hoch gelegenen Giebelstube. Was diesen starken Rückschlag in der Entwicklung der jungen Arbeit zuwege gebracht hat, wissen wir nicht. Vielleicht waren es solche vorhin erwähnten feindseligen Einwirkungen von außen her. Es ist aber ebenso gut möglich, daß es Auswirkungen des Krieges 1870/71 waren, denn auch die beiden Weltkriege dieses Jahrhunderts haben der Gemeinde starke Rückschläge gebracht.“

 

Heute und hier kann weitaus konkreter auch über diese Jahre informiert werden.

 

1867 bis 1872 versammeln sich Forster Baptisten im Hinterhaus von G. Mrose in Altforst. Carl Jahr predigt regelmäßig einmal im Quartal. Am 11.05.1867 tauft er G. Tezlaff, J. G. H. John, A. F. Quast, F. W. Berger und seine Frau, C. C. Richter.

 

Am 7.8.1867 erklären Seilermeister August Ferdinand Quast und Maria Alwine Lehmann den Behörden, „daß sie fortan als ehelich miteinander verbunden sich betrachten wollen.“ Vier Monate später, am 19.12.1867 wird ihnen die Tochter Marie Alw. Aug. Quast geboren.

 

Und immer wieder versammelt sich die Gemeinde am Neißeufer. W. J. Nanny John lässt sich am 23.09.1867 taufen, C. F. E. Petermann am 23.05.1868. Grund zur Freude. Dann wieder Grund zur Trauer. Am 30.01.1868 stirbt die 27-jährigen Johanne Guttmann durch einen Schlaganfall, am 15.08.1868 der 3-jährige Carl Johannes Schulz, an „Abzehrung“.

 

Das Gemeindeleben aber bleibt bei alledem lebendig.

 

1870 schreibt Missionar Carl Jahr in einem Brief voller Hoffnung über Forst: „… in Forste ist es ebenfalls lebendig. … recht bald 21 Seelen …“ Zu diesen „21 Seelen“ gehört auch Maria Martha Schulz, Tochter des ersten Forster Baptisten. Carl Jahr tauft die 16jährige am 21.05.1870.

 

Im April 1871 ruft G.W. Lehmann im Missionsblatt alle deutschen Gemeinden auf, beim Reichstag eine Bitte um Korporationsrecht einzureichen. Die Regierung will im Zuge der Vorbereitung des Gesetzes über Korporationsrechte gründlich unterrichtet sein. Preußens Landräte werden deshalb aufgefordert, über Baptisten in ihren Kreisen zu berichten. (Das Gesetz erscheint am 7.7.1875.)

 

Missionar Zeschke weilt 1871 für einige Tage in Forst. Er genießt die Gastfreundschaft der Familie Schulz, besucht Gemeindemitglieder und Ausgeschlossene und reist nach „herzlichem Abschiede“ nach Peitz weiter, um dort zu predigen und Traktate zu verteilen.

 

Wenig später, am 07.10.1871, lädt die Forster Polizeibehörde Carl Eduard Schulz vor und verhört ihn am 11.10.1871 „über die Verhältnisse der hiesigen Baptisten“. Er gibt bereitwillig Auskunft, und der Königliche Landrat kann am 13. Januar 1872 aus Sorau über Forst melden:

 

„Es besteht hier keine selbständige Baptisten-Gemeinde, sondern nur eine sogenannte Station zur Gemeinde in Frankfurt a/O. In letzterer stehen die hiesigen Baptisten in einem Filial-Verhältnisse dergestalt, daß sie hier keinen Vorstand und keinen Prediger haben, sondern daß ihre weltlichen und geistlichen Verhältnisse von Frankfurt a/O aus geleitet und geordnet werden. Die hiesige Station zählt 15 Mitglieder, theils Männer und theils Frauen – Kinder werden nicht als Gemeinde-Mitglieder angerkannt – diesselben gehören dem Arbeiter- und dem kleinen Bürgerstande an sind bis auf Einen, der ein Hausgrundstück besitzt, ganz unbemittelt. Sie haben in Alt-Forst ein Local gemiethet, in welchem sie die Gemeindestunde, welche theils der Andacht und theils der Versammlung über die weltlichen Geschäfte der Gemeinde gewidmet sind abhalten. Die Mittel, welche die Mitglieder – nicht in bestimmter Höhe, sondern jedes nach seinen Kräften – zur Besoldung des Geistlichen, zu Missionszwecken und für die Bezahlung des Miethzinses aufbringen, fließen nach Frankfurt a/O und werden dort verwaltet. Die Filialgemeinde als solche hat keinerlei Besitz. Über die Aufnahmefähigkeit eines neuen Mitgliedes bestehen keine festen Grundsätze. Unbescholtenheit wird in der Regel verlangt, aber der Hauptwerth wird gelegt auf Ablegung eines Glaubensbekenntnisses. Die Aufnahme geschieht vor versammelterFilialgemeinde in Gegenwart des Predigers, nachdem dieselbe durch einfache Stimmenmehrheit der Erschienen beschlossen worden ist.“

 

Es fällt auf, dass in diesem Bericht das Wort „Taufe“ nicht vorkommt. Dabei ist und bleibt gerade die Bekenntnistaufe wichtiges Merkmal der Baptistengemeinschaft und schönstes Erleben für die Glaubensgeschwister. Carl Jahr tauft im Sommer 1874 den Sorauer W. E. Jabusch in Forst und zwei weitere junge Männer.

 

Am 17.12.1874 stirbt die 71jährigen Mutter des früheren Gemeindeleiters Friedrich Samuel Krüger an „Altersschwäche“ und wird am 20.12.1874 in Forst beerdigt. Johanne Caroline Friedericke Krüger hinterlässt zwei minderjährige Söhne sowie die minderjährigen Kinder ihres vor ihr verstorbenen Sohnes.

 

1876 lässt sich Louise Clara Schulz taufen. Mit ihr bekennen sich am 06.05.1876 C. W. Müller, L. C. Schulz und C. A. Rocktäschel zum Glauben an Jesus Christus. Zwei Monate später, am 07.06.1876, kommt sich die Schar der Baptisten erneut an der Neiße zusammen. Diesmal werden C. J. H. H. Hoffmann & Frau, B. M. Rocktäschel, C. F. Krüger, P. E. Neumann, F. A. E. Petermann getauft.

 

Die Freude über die Glaubensentscheidungen ihrer Kinder mag beim Ehepaar Schulz sehr groß gewesen sein. Als die Familie erneut umzieht, lädt Carl Eduard Schulz wieder zu Gottesdiensten in seine Wohnung ein. Er gehört zu den aktivsten Forster Baptisten.

 

Missionar Carl Jahr berichtet 1876 über das Gemeindeleben: „… Besonders in der Lausitz, d.h. in Forst und Peitz, war es so rege und lebendig wie nie zuvor, so daß auf diesen beiden Stationen allein 14 gerettete Seelen in den Tod des Herrn getauft wurden.“

 

Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Baptistengemeinde in Frankfurt/Oder, zu der auch die Forster zählen, eine Station von Berlin. Sie wird am 21.05.1877 selbstständig.

 

Am 03.10.1887 stirbtAuguste Lehmann. Sie hatte sich 1858 mit 15 Jahren taufen lassen und damit Aufsehen erregt. Ihre Beerdigung am 06.10.1887 in Forst sorgt erneut für Unruhe und wegen einer unerlaubten Beerdigungsrede „seitens eines baptistischen Laiens“ für eine Anzeige vom 14.09.1888, nachzulesen in der Polizeiakte 1499, Blatt 57ff:

 

„An den Herrn Oberpfarrer der Gesamtparochie Forst Dr. Fensch, Hochwürden, Hierselbst.

 

Ew. Hochwürden Aufmerksamkeit erlaube ich mir auf eine Thatsache – die ich erst jetzt erfahre – hinzulenken. Wie mir zuverlässig gemeldet wird, hat schon vor einer Reihe von Wochen auf dem hiesigen Altforster Kirchhofe die Beerdigung eines im Hause, Cottbuser Straße No.37 wohnhaften Mitgliedes der hiesigen baptistischen Gemeinschaft, Namens Lehmann, stattgefunden, bei welchem ohne polizeiliche Genehmigung seitens eines baptistischen Laien eine längere Grabrede gehalten worden ist.

 

Ich würde es zur Zeit für bedenklich erachten, wenn Laien Reden bei öffentlichen Beerdigungen auf den Kirchhöfen seitens der Polizei erlaubt würden, und halte es für nothwendig Fälle zur Kenntnis der Behörden zu bringen, wo ohne jede polizeiliche Kontrolle seitens der Sectenvorsteher in oft sehr verworrener oder gehässiger Weise bei solcher Gelegenheit Propaganda getrieben wird.

 

Demgemäß stelle ich Ew. Hochwürden zunächst anheim, weitere Schritte in dieser Richtung zu thun, daß ähnliche Vorfälle künftig nach Möglichkeit seitens der hiesigen Behörden durch Instruierung der Todtengräber vorgebeugt werde.

 

Der Archidiaconus der Parochie Forst

 

Gez. Dr. Gerlach, Pastor.

 

Der Oberpfarrer der Gesamtparochie Dr. Fensch richtet sich daraufhin am 22.09.1888 an Bürgermeister Enzmann und vervollständigt bzw. berichtigt die Anzeige:

 

„Es handelt sich um das Begräbnis der am 3. Okt. 1887 verstorbenen Darbystin Lehmann am 6. Desselben Mts. Bei diesem Begräbnis hat der Sattler Elius aus Berlin den Kirchengärtner Rahner gefragt, ob der Kirchhof ein Kommunal-Kirchhof sei, und alsdann eine Leichenrede in aller Form gehalten. Der Anführer der hiesigen Darbysten der Hausbesitzer August Neumann (Cottbuser Straße 37) ist bei diesem Begräbnis beteiligt gewesen und wird weitere Angaben über den g. Elius machen können.“

 

Am 28.09.1888 wird in dieser Angelegenheit verhandelt. Vorgeladen erscheint der 44 Jahre alte Spinner David Lehmann, der inzwischen mit Karoline, geb. Raddy verheiratet ist. Der bisher unbescholtene Mann lässt sich nicht einschüchtern und stellt klar:

 

„Am 3.10.1887 verstarb meine erste Ehefrau Auguste geborene Thom, und wurde am 6.10. d.J. auf dem Altforster Kirchhofe beerdigt. Der Sattler Hillinger zu Berlin, Eichendorfstr. 2 wohnhaft, war damals in Forst zum Besuch anwesend und da er gleichfalls Dissident ist so hat er sich an dem Leichenbegräbnisse betheiligt. Auf dem Friedhofe hat er einen Abschnitt aus der Offenbarung Capikel 21 vorgelesen sodann ein Gebet gesprochen und damit war die Trauer- und Leichenfeierlichkeit zu Ende. Ein Vorsteher existiert für uns nicht. Ein Versammlungslocal haben wir in der Wohnung des Häusler Aug. Neumann, wo wir uns besprechen. Die Versammlungen sind polizeilich angemeldet.“

 

1889 veranschiedet die Frankfurter Baptistengemeinde Carl Jahr. Zugleich trennen sich die Forster Baptisten von Frankfurt/Oder. Sie wollen künftig ihren eigenen Weg gehen. Allen voran Carl Eduard Schulz, der sein Haus für Gäste offen hält und damit viele Kontakte nach außen pflegen kann.

 

So notiert sich am 03.11.1889 der Reiseprediger der „Preußischen Vereinigungs-Mission“ Curant, dass er in „Kottbus zu Besuch bei den lieben Geschw. Weist und Greim, den einzigen vier Gliedern da…“ war und abends nach Forst zum „alten bewährten Br. Schulz in sein trautes Heim“ gefahren sei. Am Sonntag freut er sich über „für dortige Verhältnisse stark besuchte und gesegnete Versammlungen…“

 

Auch Vereinigungsmissionar Wilhelm Weist hält von einer Besucherreise am 12.07.1890 fest, sich bei seinem „alten Br. Schulz“ mit anderen Glaubensgeschwistern versammelt zu haben und notiert:

 

„Die Geschwister in und bei Kuttbus und Forst wünschen, daß für diese bedeutenden Fabrikstädte etwas geschehe. Sie versprachen auch einmütig, das Mögliche zu thun für einen Prediger, und ersuchten mich, dorthin zu ziehen und die Arbeit in Angriff zu nehmen. So gern ich auch nun dem Willen des Herrn gehorchen will, auch lieber in der Nähe meiner Kinder meine alten Tage zubringen möchte, so ist’s doch nicht so leicht, den Willen des Herrn zu erkennen, weil die Gemeinde hier, die ich seit 41 Jahren sammeln und weiden durfte, beschlossen hat, daß ich bleiben soll…“

 

Der „alte Bruder Schulz“ ist 68 Jahre alt, als er im Juli 1891 an der Preußischen Vereinigungskonferenz in Berlin-O und anschließend an der 15. Bundeskonferenz in Hamburg-Eilbeckteilnimmt. Für seine Fahrten dorthin bekommt er eine Reisevergütung von 32 Mark aus der Gemeindekasse.

 

Ende 1891zieht Missionsschüler Fritz Johann Sturm nach Forst, ein Mann aus Kronstadt/Siebenbürgen, dort geboren am 12.11.1858. Die wenigen Baptisten bringen ein „anständiges“ Gehalt für ihn mit Hilfe der „Baptisten-Union“ in Boston auf, so „daß er sorgenfrei an der Sache Gottes arbeiten kann.“ („Der Wahrheitszeuge“, 14. Jahrgang, Nr. 10, 05.03.1892). Und die „Sache Gottes“ liegt ihm am Herzen, war er doch „unter Leitung des Heiligen Geistes“… „zur gründlichen Sündenerkenntnis“ gelangt, „die ihn betend zum Herrn trieb. Im festen Glauben an ihn erfuhr er eine tiefgehende Herzensumwandlung. Bald darauf erkannte er auch die Taufwahrheit, so daß er 1883 in Bukarest von Br. Kargel getauft wurde“ so später im Nachruf über ihn im „Der Wahrheitszeuge“ vom 27.06.1914. Fritz Johann Sturm war durch die Vermittlung des Direktors der Bibelgesellschaft in Wien, Edward Millard, 1887 zur Predigerschule nach Hamburg und 1891 entsprechend gerüstet nach Forst gekommen. Seine erste Dienststelle.

 

Erste offizielle Gemeindegründung

 

Ausgerüstet mit einem fest angestellten „Gottesmann“ gründet sich in Forst am 14.02.1892 ganz offiziell eine selbstständige Baptistengemeinde. Ihre Mitglieder kommen aus Forst, Cottbus und Peitz. Drei Jahre später löst sich die Gemeinde auf, wird Station von Berlin und erst 1905 erneut selbstständig.

 

Zur Gemeindegründung 1892 und Ordination von Fritz Sturm, an der Vertreter aus Berlin, Freiburg, Halle und Tschernow teilnehmen, findet sich ein längerer Beitrag in „Der Wahrheitszeuge“, 14. Jahrgang, Nr. 10, 05.03.1893. Hier einige Auszüge:

 

„Behufs Einladung der Geschwister in Forst, Cottbus und Peitz trat am 14.Februar ein Konzil zusammen zur Gemeindegründung und Ordinierung ihres Predigers, Br. Sturm. Ursprünglich gehörten diese Stationen zur Gemeinde Frankfurt a./O., blieben aber, als sich 1890 dieselbe teilte, als der eine Teil bis jetzt allein. Seitdem war es ihr inniger und gemeinschaftlicher Wunsch, selbständig und unter Leitung eines Unterhirten in diesen drei volkreichen Städten Mission zu treiben. Zur Erreichung dessen hat die kleine Schar außergewöhnliche Anstrengungen gemacht. Und wenn wir jetzt mit freudiger Dankbarkeit für Gottes Leitung auf das kleine Werk blicken können, so ist dies nicht nur die Erfüllung des lang gehegten Wunsches der Preußischen Vereinigung, sondern auch eine besondere Gnadenerweisung unseres Gottes.

 

Für die Lausitz hat schon lange unser Herz geschlagen. Gewiss hat der Herr in diesen Fabrikstädten sein Volk, und darum freuen wir uns, daß für die Rettung desselben jetzt mehr geschehen kann und auch geschieht, als bis jetzt der Fall war. Die ehemalige Frankfurter Gemeinde steht nun als zwei Heere nebeneinander in der Arbeit für den Himmel. Und obgleich Forst der geringste Teil ist, so bildet er in Wirklichkeit doch eine Macht in seiner Mission daselbst.

 

Diese Kraft liegt in dem gar lieblichen Verhältnis des Ganzen. Denn, wenn irgendwo etwas durch Einigkeit, Liebe und Opferwiligkeit erreicht werden soll, und diese Tugenden ein wesentlicher Vorteil für unsere Mission sind, so wird dies hier der Fall sein.

 

Die außergewöhnlichen Leistungen, die von den Geschwistern gebracht worden, können wohl manchen zum Vorbild dienen. Ihr Versammlungslokal faßt an 140 Zuhörer und entspricht ganz unserer Sache. Die praktische, niedliche Einrichtung in jeder Beziehung, und die hübsche Dekoration läßt kaum etwas zu wünschen übrig. Das Haus des Herrn sollte nicht nur das schönste, sondern auch das anziehendste sein.“ …. „Der Sonntagmorgen bildete den bedeutungsvollen Augenblick, wo die 30 Geschwister zur Gemeinde Forst i.L. konstituiert wurden.“… „Herrlicheres aber erfolgte am Nachmittag, den die Ordination des Br. Sturm und ein Liebesfest krönte.“

 

Dem Autoren dieses Beitrages, Becker, dem Vertreter aus Tschernow, spürt der Leser die große Begeisterung über diesen Festtag ab, wenn er vom „tiefen Eindruckauf den Fremdenbesuch“, schreibt und schließlich betont: „Das alles aber durch den Herrn… Als das Fest am herrlichsten war, trat Er unter uns, und ließ seines Geistes Wehen kund werden“ und endet: „Br. Sturm bekannte, voll des Heiligen Geistes zu sein, und die herzlich gesalbte Ansprache und Vorträge bekundeten ähnliches. Es war ein lieblicher Abend, an dem fünfzehn bis zwanzig Seelen wurden erweckt und empfahlen sich der Fürbitte der Gemeinde.“…. „Wir glauben, dass der Herr weiter segnen wird und die Zahl erlöster Sünder vergrößern. Die junge Gemeinde, in Liebe an ihrem Prediger hängend, ist voll freudiger Erwartung…“

 

Mitgliederregister der Baptisten-Gemeinde Forst i. L.

1892. 14. II.

Nr.

Name

Stand

geboren

getauft

1

Schulz, Carl Eduard

Handelsmann

23.2.1824

in Forst

29.11.1844 in Berlin

von G. W. Lehmann

2

Schulz, Ernestine Wilhelmine, geb. Wostrack

Frau

16.2.1825

in Frankfurt/Oder

29.7.1842 in Frankfurt/O.

von G. W. Lehmann

3

Wittge, Marie

Witw

1.4.1813

in Kartzig

1860 in Kartzig

von Wiehler

4

Düring, Louise Adelheide Wilhelmine, geb. Büttner

Frau

16.7.1825

in Küstrin

1854 in Tschernow

von Jahr

5

Düring, Johannes Wilhelm Hermann

Tuch-schuhmacher

8.5.1827

in Küstrin

1857 in Cüstrin

von Zeschke

6

Bubner, Christian

Landmann

4.11.1837

in Gallinchen

23.2.1861 in Hamburg

von J. Braun

7

Rocktäschel, Marie Wilhelmine, geb. Wittge

Witwe

2.11.1839

in Kartzig

31.12.1859

von Zeschke

8

Bubner, Hanna

Frau

7.2.1820

in Berge N.L.

… in Forst

von G. W. Lehmann

9

Düring, Christine Emilie

Jungfrau

21.8.1852

in Küstrin

1862

in Küstrin von Jahr

10

Müller, Christiane Wilhelmine

Jungfrau

18.10.1852

in Waldenburg

1.5.1878 in Forst

von Jahr

11

Rau, Marie Hulda

Jungfrau

24.7.1869

in Witomischel b. Neutomischel

1.12.1889 in Berlin

von Scheve

12

Sturm, Fritz Johann

Prediger

12.11.1858

in Kronstadt/Siebenbürgen

1883 in Bukarest

von Kargel

13

Weist, Paul Philipp Wilhelm (Cottbus)

Kaufmann

31.8.1852

in Stolzenburg

28.2.1868 in Goiden/O.Pr.

von W. Weist

14

Weist, Emma, geb. Greim (Cottbus)

Frau

26.6.1855

in Bernstein/Neumark

6.9.1864 in Berlinchen

von Wiehler

15

Weist, Rudolf (Cottbus)

Klempner, Jüngling

31.1.1869

in Stolzenburg

12.4.1883 in Königsberg

von Berneike

16

Greim, Johannes (Cottbus)

Maler

3.7.1857

 

17

Greim, Bertha, geb. Strehle (Cottbus)

Frau

28.6.1861

in Breslau

30.5.1880 in Breslau

von Strehle

18

Freydank, Otto Adolf Friedrich (Peitz)

Klempner

22.11.1833

in Posen/Posen

1856 in Friedeberg

von Zeschke

19

Freydank, Auguste Wilhelmine, geb. Werder (Peitz)

Frau

16.2.1839

in Küstrin

21.10.1861

von Jahr

20

Voland, Al. Klara, geb. Horn

Frau

7.11.1869

in Pitschkau/Kr. Sorau

1889 in Forst

von Jahr

21

Kreitz, Kalr Ludwig Eduard (Peitz)

Handelsmann

31.5.1822

in Cottbus

… in Stettin

von Hinrichs

22

Kreitz, Henriette Auguste, geb. Delitsch (Peitz)

Frau

26.1.1828

in Cottbus

… in Cottbus

von Zeschke

23

Kreitz, Wilhelmine Auguste Pauline (Peitz)

Jungfrau

8.1.1854

in Cottbus

… in Peitz

von Jahr

24

Kirchstein, Gottlob, (Posen bei Strega)

 

19.2.1815

in Strega

27.8.1860 in Forst

von Zeschke

25

Kirchstein, Dorothea Elisabeth, geb. Fechter (Posen bei Strega)

Frau

16.11.1806

in Posen bei Strega

8.12.1861 in Forst

von Zeschke

26

Weist, Julius, Hoyerswerda

Ziegelei-besitzer

12.4.1859

in Stolzenburg

11.8.1876 in Stolzenburg

von Weist

 

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